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Verhungern im nuklearen Winter

Das US-amerikanische Kriegsministerium hat am 10.09.2024 eine Ausschreibung für Studien zur Modellierung eines globalen Atomkrieges veröffentlicht. Erforscht werden soll vor allem, welche Auswirkungen der Atomwaffeneinsatz auf die Landwirtschaft und die Umwelt hat. Abgabeschluss war der 12. September.

Die Atomkriegsgefahren nehmen zu. Nach Ende des Kalten Krieges hat die atomare Bedrohung durch die Modernisierung der Atomwaffenarsenale, neue geopolitische Spannungen und dem Entstehen neuer Atomstaaten bedrohlich zugenommen. Länder wie die USA, Russland, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea entwickeln ihre nuklearen Fähigkeiten weiter und bauen sie aus, was zu einem erneuten Rüstungswettlauf führte. Er ist gekennzeichnet durch technologische Fortschritte bei den Trägersystemen wie Hyperschallraketen und autonome Waffen. Diese Entwicklung erhöht angesichts der rund 15.000 vorhandenen Atomwaffen das Risiko eines versehentlichen, vorsätzlichen oder falsch berechneten nuklearen Konflikts drastisch. In der Vergangenheit kam es wegen Unfällen, Falschberechnungen, Fehlalarmen oder Missverständnissen mehrfach (insbesondere 1983) und jeweils unbeabsichtigt zu einem Beinahe-Atomkrieg. Er hätte nicht nur für die unmittelbaren menschlichen Opfer, sondern auch für die globale Umwelt und die Ernährungssicherheit katastrophale Folgen gehabt.

Die Modellierung der Auswirkungen eines Atomkriegs auf die Landwirtschaft ist daher zu einem wichtigen Instrument für das Verständnis dieser weitreichenden Folgen geworden. Mit »AgriShock«, einem modernen, vom US-Kriegsministerium entwickelten Programm, sollen detaillierte Simulationen der Auswirkungen von Atomdetonationen und des sogenannten nuklearen Winters auf landwirtschaftliche Systeme ermöglicht werden. Ein nuklearer Winter, bei dem massive Feuerstürme Unmengen von Rauch, Ruß und Staub in die Atmosphäre blasen, der das Sonnenlicht blockiert und die Temperaturen weltweit drastisch absenkt, würde zu Ernteausfällen, schwerer Nahrungsmittelknappheit und dramatischen Auswirkungen auf die globalen Agrarsysteme führen. Solche Folgen würden nicht nur die unmittelbar von den Atomexplosionen betroffenen Regionen verwüsten, sondern auch eine Kaskade wirtschaftlicher und humanitärer Krisen auf der ganzen Welt auslösen, die das Leben von Milliarden Menschen bedrohen.

Am 10. September 2024 hat das »Engineer Research and Development Center« (ERDC) des US Army Corps of Engineers, Boulder, Colorado, eine Ausschreibung veröffentlicht, die – aufbauend auf früheren AgriShock-Studien – Vorhersagen über die Auswirkungen eines Atomkriegs auf globaler Ebene, jedoch insbesondere im ehemaligen Ostblock (Osteuropa, Westrussland und jenseits davon), hinsichtlich Ernteerträge, Bodengesundheit und Lebensmittelversorgungsketten präzisieren soll. Die Erkenntnisse würden für die Optimierung globaler Ernährungssicherheitsstrategien, für die internationale Landwirtschaftspolitik und für die Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen mögliche atomar bedingte Störungen genutzt.

Es stellt sich die Frage, weshalb das Pentagon diese Frage per Forschungsauftrag neu klären und modellieren lassen möchte. Gibt es doch zahlreiche, ähnliche Szenario-Entwürfe. Indessen – die Parameter der US-Amerikaner sind nicht bekannt. Bekannt sind allerdings die Auswirkungen der atomaren Kriegführung. Die am 15.08.2022 publizierte Studie »Global food insecurity and famine from reduced crop, marine fishery and livestock production due to climate disruption from nuclear war soot injection« zeigt, dass durch einen Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und Russland mehr als fünf Milliarden Menschen ums Leben kämen. Konkret: Durch den massiven Rückgang bei den landwirtschaftlichen Erträgen würden 75 Prozent der Weltbevölkerung innerhalb von zwei Jahren verhungern. Ein »begrenzter« Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan würde mehr als zwei Milliarden Menschen das Leben kosten.

Es kann vermutet werden, dass die Szenarien des neuen Forschungsauftrags den USA dazu dienen sollen, künftig einen Atomkrieg berechenbar führen zu können.

Quellen:

  • Services for modeling the effects of nuclear weapons on agricultural Systems, Engineer Research and Development Center (ERDC) in Boulder, CO 80302 United States, Sept. 10, 2024, https://www.highergov.com/contract-opportunity/services-for-modeling-the-effects-of-nuclear-weapo-w912hz24t5579-s-33f81/
  • Modeling the Agricultural Impacts of Nuclear Conflict: An Analysis of AgriShock and Related Programs, September 2024, https://www.researchgate.net/publication/383978527_Modeling_the_Agricultural_Impacts_of_Nuclear_Conflict_An_Analysis_of_AgriShock_and_Related_Programs
  • Nato-stabsrahmenuebung wintex-cimex 89, 22.02.1989, https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/newsletter-und-abos/bulletin/nato-stabsrahmenuebung-wintex-cimex-89-782484
  • Pentagon untersucht Auswirkungen eines Atomkrieges in Europa: Was steckt dahinter? Mimikama, 17.09.2024, https://www.mimikama.org/pentagon-untersucht-auswirkungen-atomkrieg-europa/
  • Pentagon prüft: Welche Auswirkungen hat ein Atomkrieg für Europa? Weltwoche, 15.09.2024, https://weltwoche.de/daily/pentagon-prueft-welche-auswirkungen-haben-ein-atomkrieg-fuer-europa/
  • Weltweite Ernährungsunsicherheit und Hungersnöte aufgrund einer geringeren Produktion von Feldfrüchten, Meeresfischerei und Viehzucht infolge von Klimastörungen durch die Emissionen von Rauch, Ruß und Staub infolge eines Atomkriegs: Studie unter der Leitung der Rutgers University in den Vereinigten Staaten (USA) mit Unterstützung der EU-finanzierten Projekte BIGSEA, COACCH und CASCADES, Nature, 15.08.2022, https://www.nature.com/articles/s43016-022-00573-0#Ack1
  • Wie würde die Welt nach einem Atomkrieg zwischen den Vereinigten Staaten und Russland aussehen? CORDIS – Forschungsergebnisse der EU, 29.08.2022, https://cordis.europa.eu/article/id/442055-what-would-the-world-look-like-after-a-nuclear-war-between-the-united-states-and-russia/de

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