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DIGITAL NOMAD

Angetrieben weniger vom Bestreben, Steuern zu vermeiden, sondern eher vom Abenteuer des Reisens und der Aussicht, Herr über die eigene Zeit zu sein, erfreut sich seit einigen Jahren das Digitale Nomadentum zunehmender Beliebtheit. Egal, ob als Freelancer oder als Unternehmer, mit einem ortsunabhängigen Internet-Business als Basis, verdienen immer mehr, hauptsächlich junge, flexible Leute da ihr Geld, wo es ihnen gerade gefällt. Digitale Nomaden (DN) frönen einem neuartigen, eher nicht sesshaften Lifestyle, bei dem Reisen und Arbeiten miteinander verschmelzen. Manche verreisen lediglich für ein bis zwei Monate im Jahr, um ihr Fernweh zu stillen, andere sind kaum noch in der angestammten Heimat anzutreffen.

Auslöser und Inspiration war für viele Digitalnomaden das bislang in 26 Sprachen übersetzte Buch »Vier-Stunden-Woche« (Original: »The 4-Hour Workweek«) des US-amerikanischen Autors und Unternehmers Timothy Ferriss, das es bis auf Platz eins in der Bestsellerliste von sowohl der New York Times als auch des Wall Street Journal schaffte.

Tim Ferriss hält das Modell eines festen, zentralen Ortes, an den man für eine festgelegte Stundenzahl geht, um dort zu arbeiten, heute für obsolet. Wichtiger als die zeitliche Anwesenheit am Arbeitsort hält er die (messbaren) Ergebnisse der Arbeit. Dadurch würde sich, so ist er überzeugt, eine ganze Welt von Möglichkeiten eröffnen.

Wichtigste Voraussetzung zur Verwirklichung eines Lebensstils jenseits des üblichen »Nine-to-five«-Schemas ist es seiner Meinung nach, den »Input zu reduzieren und den Output zu maximieren«. Das heißt nichts anderes als klare Prioritäten zu setzen, teure Ablenkungen zu vermeiden und strategisch jene Dinge zu eliminieren, die vom Erreichen des beabsichtigten Zieles ablenken. Auch wenn dies nach den schon altbekannten Konzepten des Zeitmanagements und der »pareto‘schen« 80:20-Effizienzsteigerung klingt, so ist Ferriss davon überzeugt, dass seine Idee dennoch weiter greift: statt nur weniger zu arbeiten kommt es ihm darauf an, mehr zu leben! – Das ist ja (nebenbei) auch das finale Ziel eines jeden Perpetual Travellers!

Ferriss sieht darin letztlich eine Art Souveränitätsstrategie, jene Dinge zu vermeiden, zu denen der DN letztlich keine Lust hat – und die unterm Strich auch nichts einbringen. Außer Lebenszeit zu kosten.

Arbeiten und leben jenseits der »Nine-to-five«-Norm

Das Modell des Digitalen Nomadentums ist mithin primär eine Frage des Lebensstils und der Lebenskunst – und damit der Lebenseinstellung. Einerseits folgt es weder einem festgeschriebenen Ausbildungsritual noch einem Regelwerk. Seine erfolgreiche Umsetzung ist im Wesentlichen eine Frage der Qualifikation, der Interessen, der Selbstmotivation und der Disziplin des Einzelnen. Andererseits ist es für die wenigsten ein Karrieresprungbrett. Im Gegenteil: Digitales Nomadentum ist eine moderne Variante des »Downshiftings«. Und der persönlichen, privaten Sezession.

Digitale Nomaden sind letzten Endes digitale Minimalisten. Ihr digitales Archiv ist ihnen wertvoller als belastende und abhängig machende Konsumgüter. So abgedroschen es auch klingt: Ein DN lebt nicht, um zu arbeiten, sondern arbeitet, um zu leben. Er kommt mit wenig materiellem Besitz aus und sieht ein spartanisches Leben nicht unbedingt als Nachteil an. Denn: »Freedom is just another word for nothing left to lose« (Janis Joplin, aus: »Me & Bobby McGee«) Wichtiger als ein möglichst hoher Verdienst ist ihm das persönliche Glück in der Verschmelzung von Arbeit und Reiseerfahrung.

Das heißt allerdings nicht, dass der typische DN ein Rucksacknomade oder ein Freelancer sein muss. Sogar Angestellte, deren Tätigkeit keine physische Anwesenheit voraussetzt, können als DN durch die Welt ziehen. Denn überall da, wo Unternehmensprozesse digitalisiert und dank Internetkommunikation unterstützt werden können, spielt es prinzipiell keine Rolle, ob der Mitarbeiter am Schreibtisch im Unternehmen, im eigenen Homeoffice oder irgendwo draußen in der weiten Welt seine Arbeit leistet. Dank Webkonferenzsystemen wie Skype, Teams, Webex, Zoom usw., Smartphone, Tablet-Computer, Zeiterfassungssystemen und virtuellem Projektmanagement lassen sich zahlreiche dieser digitalisierbaren Arbeiten ortsunabhängig erledigen. Dazu bedarf es lediglich eines verständigen und innovativen Arbeitgebers.

Andere und neue Formen der Arbeit (und des Lebens) wie z.B. das Digitale Nomadentum benötigen, ja erzwingen auch neue und andere Arbeitsplätze. Grundsätzlich zeichnet sich ein DN durch die Abwesenheit von einem klassischen Büro- oder Fabrikarbeitsplatz aus. Timothy Ferriss nennt dies »Management by Absence« (mba – »Führung durch Abwesenheit«).

Prinzipiell benötigt ein DN zum Leben, das heißt in seinem Fall zum Arbeiten nicht mehr als ein Notebook oder einen Tablet-Computer, ein Mobiltelefon, einen (Schreib-) Tisch, ein WLAN und – Kaffee. So befindet sich auch im Kaffeehaus aus naheliegenden Gründen der übliche Arbeitsplatz eines DN. Meistens ist dieser Platz zwar günstig, aber nicht immer bequem. Deshalb gehört die Suche nach weiteren, vor allem preiswerten Arbeitsorten zur Daueraufgabe eines DN. Bevorzugt werden neben Internetcafés und öffentlichen Bibliotheken (mit Internet-Zugriff) auch die verschiedenen Business-Lounges in Flughäfen oder an Bahnhöfen genutzt, jedenfalls von denjenigen, die über eine zur Nutzung der Lounge berechtigende Vorteils-, Business- oder Meilenkarte einer Fluggesellschaft (o.ä.) verfügen. Solche Lounges bieten alles, was das Herz eines DN begehrt: Stuhl und Tisch, einen kostenlosen Internetanschluss (per Kabel oder WLAN), eine Steckdose zum Aufladen der Notebook- und Smartphone-Akkus. Solche Lounges haben den Vorteil, dass sie in fast allen größeren Städten, das heißt Flughäfen oder Bahnhöfen zu finden sind.

Noch zuverlässigere Arbeitsplätze werden von Business Centern und Bürodienstleistern angeboten, die weltweit »Office-Sharing« anbieten. Dieser Service lässt sich auf monatlicher Basis für eine recht geringe Gebühr buchen. Hin und wieder locken solche Anbieter auch mit Verkaufsförderungsaktionen, Testangeboten oder Mitgliedschaften auf Probe, durch die sich das komfortable Arbeiten an manchen Standorten (über einen gewissen Zeitraum) auch kostenlos bewerkstelligen lässt.

Die jedoch eleganteste Art und Weise eines temporären Arbeitsplatzes stellen mittlerweile die sogenannten »Co-Working-Spaces« dar, die an immer mehr Orten entstehen und bereits in vielen Metropolen der Welt existieren. Mit »Co-Working« (auch: »coworking«) wird eigentlich ein »sich seit einigen Jahren abzeichnender Trend im Bereich Neue Arbeitsformen« verstanden, bei dem »Freiberufler, Kreative, kleinere Startups oder digitale Nomaden, die unabhängig voneinander agieren« (…) »in meist größeren Räumen zusammen« arbeiten7 (wikipedia). In diesen Räumlichkeiten (»Co-Working-Spaces«) werden Arbeitsplätze und die modernste Infrastruktur mit Netzwerkanschluss, WLAN, Drucker, Scanner, Faxgerät, Telefon, Beamer, Besprechungsräumen usw. auf täglicher, wöchentlicher oder monatlicher Basis vermietet.

Vorteile des »Geoarbitrage-Modells«

Wer als Digitaler Nomade für einen einheimischen Auftrag- oder Arbeitgeber tätig ist, einheimische (z.B. deutsche, österreichische oder schweizerische) Honorare in einer vergleichsweise starken Währung wie Euro, US-Dollar oder Schweizer Franken verdient und in einem Land mit günstigen Lebenshaltungskosten und günstigem Wechselkurs arbeitet, profitiert in barer Münze von einer der zahlreichen Vorteile, die ihm sein Lifestyle gewährt. Denn »Geoarbitrage« beschreibt die Kunst, sein Geld in einer starken Währung zu verdienen und es in einem Land mit verhältnismäßig geringen Kosten auszugeben.

Wer beispielsweise mindestens 2.000 bis 3.000 Euro im Monat verdient, kann etwa auf den Philippinen, in Costa Rica, Indonesien oder Thailand, aber auch in Bulgarien oder Ungarn recht gut leben und durch die geringeren Lebenshaltungskosten das restliche Geld sparen, welches in Deutschland eventuell für hohe Mietnebenkosten, Kfz, Rundfunkgebühr, Versicherungen usw. draufgegangen wäre.

Fazit: »Digitale Nomaden« sind also weder »per se« noch per definitionem »Perpetual Traveller« im Sinne eines »Prior Taxpayers« (ehemaliger Steuerzahler). Dieser Aspekt ist für die meisten zunächst vernachlässigbar. Sie weisen zwar eine Reihe von Gemeinsamkeiten zum »PT« auf, unterscheiden sich aber auch in wesentlichen Details.

In welchen Bereichen pflegen Digitale Nomaden einen PT-Lifestyle?

• Sie betreiben ein mobiles, ortsunabhängiges (Internet-) Business
• sie reisen viel, das heißt sie befinden häufig außerhalb der Jurisdiktion ihres Heimatlandes (steuerlich relevant wird in Deutschland eine jährliche Abwesenheit von mindestens 183 Tagen)
• sie verdienen ihr Geld unterwegs, das heißt im Ausland. Hier muss im Einzelfall die einkommensteuerliche Relevanz geprüft werden. In vielen Ländern können Deutsche ohne Visum bis zu drei oder mehr Monate leben, ohne einkommensteuerpflichtig zu werden
• manche von ihnen betreiben ein Offshore-Unternehmen
• manche von ihnen hosten ihre eigene Website in einem (sicheren) Drittland
• manche von ihnen verfügen über Offshore-Bankverbindungen.

Worin unterscheiden sich Digitale Nomaden von einem Perpetual Traveller?

Sie (d.h. die meisten) besitzen nur die durch Geburt erworbene Staatsbürgerschaft und sie (d.h. die meisten) haben nach wie vor ihren Hauptwohnsitz im Heimatland.

Da die Grenzen jedoch fließend sind, dürfte es einem DN jedenfalls leichter fallen als Otto Normalverbraucher, in die Aggregatform des PT hinüberzuwechseln.

Zusammenfassung

Nur drei Dinge braucht ein Digitaler Nomade, um produktiv werden zu können: eine an die individuellen Bedürfnisse angepasste Technik, einen internetfähigen Arbeitsplatz und die gewissenhafte Befolgung unvermeidbarer Formalitäten.

Technik: Unabdingbare Voraussetzung und zentrales Arbeitsgerät eines jeden DN ist ein leistungsstarkes Notebook (bzw. Laptop oder Tablet-PC) das am besten leicht und robust sein sollte. Außerdem ein Mobiltelefon bzw. Smartphone. Die weitere Ausstattung hängt von den zu erfüllenden Aufgaben ab; dies kann von einer speziellen Software und webbasierte Applikationen, über eine Kamera bzw. Webcam, hochempfindlichen Mikrophonen, E-Book-Reader bis hin zum Handscanner usw. reichen. Die zuverlässige Erreichbarkeit durch Kunden, Auftraggeber, etwaige Mitarbeiter oder Projektpartner muss sichergestellt sein.

Arbeitsplatz: Eine stabile, signalstarke und schnelle Internetverbindung muss per Kabel oder WLAN erreichbar sein. Ob sie dann von der Hängematte am Strand, in der Lounge am Flughafen, im Hotel oder im »Co-Working-Space« angesteuert wird, ist zweitrangig. Allerdings sollte am ausgewählten Arbeitsort ungestört und konzentriert gearbeitet werden können.

Formales: Vorausschauende Reiseplanung und die akribische Beschäftigung mit der Lage vor Ort, den Gesundheits- und sonstigen Risiken sowie den Gesetzen im Zielland sind Voraussetzung für einen erfolgreichen und stressfreien Aufenthalt. Internationale Versicherungen, Reisepässe und Tickets sollten immer griffbereit sein, da die (in manchen Ländern oft korrupte) Bürokratie sonst zu einem permanenten Problemfaktor werden kann.

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