Der Lebensstil des Perpetual Travellers (PT) ist eine Art Chiffre für diejenigen, die »außerhalb« des Systems leben, die sich also vom Hamsterrad der äußeren und staatlichen Abhängigkeiten verabschiedet haben. Perpetual Traveller heißt so viel wie: Dauerreisender, Dauertourist. Das Konzept geht zurück auf den Autor Dr. W. G. Hill und den Anlageberater Harry Schultz (siehe Flaggentheorie) und bezeichnet sowohl einen kosmopolitischen Lebensstil als auch eine individualistische, libertäre Lebensphilosophie.
Als PT profitiert man von der Wertschätzung, die Touristen als Devísenbringer in den meisten Ländern entgegengebracht wird.
In der Praxis sind PTs Menschen, die so leben, dass sie keine Aufenthaltsgenehmigung für die Länder benötigen, in denen sie ihre Zeit verbringen. Indem sie dort auf einen ständigen Wohnsitz verzichten, unterliegen sie auch nicht solchen staatsbürgerlichen Pflichten wie Steuergesetzgebung (z.B. Einkommens- oder Kapitalertragssteuer), Sozialversicherungspflicht, Wehrdienst und so weiter. Während beispielsweise ein PT die Staatsbürgerschaft eines Landes innehat, das Steuern einzig und allein auf der Grundlage des Wohnsitzes erhebt, wird sich sein gesetzliches Domizil, das heißt sein Hauptwohnsitz, möglicherweise in einer Steueroase befinden. Deshalb dürften die meisten PTs vermögende Einzelpersonen sein, deren Hauptanliegen in der Steuerersparnis bzw. Steuervermeidung besteht. In vielen Ländern können Ausländer für mehrere Monate im Jahr leben und häufig sogar auch Grundbesitz (Ferienhaus oder Ferienwohnung) erwerben, ohne Steuerpflichtiger zu werden. Beispielsweise gewähren viele Länder, z.B. Inselstaaten in der Karibik, europäischen Touristen einen bis zu dreimonatigen (in manchen Fällen sogar sechsmonatigen) visumfreien Aufenthalt, ohne dadurch steuerpflichtiger Einwohner zu werden. Innerhalb der EU hat jeder Unionsbürger das Recht, sich nahezu ohne Beschränkungen und ohne besondere Erlaubnis in den anderen Staaten dauerhaft aufzuhalten und/oder dort erwerbstätig zu sein. Dies gilt, so lang man in der Lage ist, sich und seine Familienangehörigen zu versorgen.
Im Allgemeinen können PTs, indem sie unter Ausnützung der jeweiligen visumfreien Höchstaufenthaltsdauern zwischen den einzelnen Ländern hin- und herreisen, auf legale Weise ihre Steuerbelastung verringern oder beseitigen. Für andere PTs besteht das Motiv wiederum in Gründen der Selbstbehauptung/des Selbsteigentums oder um möglichst frei vom Einfluss der Behörden und des politischen Systems zu sein.
Die PT-Idee ist einfach: Man trennt seine Lebensbereiche und verteilt seine Aktivitäten auf mehrere Länder (man muss sich mindestens 183 Tage p.a. außerhalb Deutschlands befinden). Das heißt konkret, man besitzt einen Reisepass (d.h. Staatsbürgerschaft) von Land A, hat (falls nötig) ein Unternehmen oder eine Erwerbstätigkeit in Land B angemeldet, eine Website in Land C gehostet, ein Bankkonto (mit Kreditkarte) in Land D und lebt zur Miete (oder im eigenen Domizil) in den Ländern E und/oder F. Indem man seine verschiedenen Lebensbereiche wie Wohnsitz, Unternehmenssitz (falls man nicht Privatier oder Rentner/Pensionär ist und keine Erwerbsquelle mehr braucht), Ort der Geldanlage usw. strikt voneinander trennt, kann man die Kontakte mit den Behörden auf ein Minimum beschränken, sein Leben konsequent vereinfachen und gleichzeitig auch noch legal in den Steuerstreik treten. Denn wenn man zwischen den Knoten dieses PT-Netzes als »offizieller« Tourist hin- und herreist, wobei üblicherweise eine Aufenthaltsdauer von jeweils mindestens 90 Tagen je Land vorteilhaft wäre, kann man unter Berücksichtigung der Steuerpflichtregeln der Aufenthaltsorte jegliche direkte Besteuerung vermeiden. Wer etwa den Frühling auf Mallorca, den Sommer in Ungarn, den Herbst in Mexiko und den Winter auf der Karibikinsel Dominica verbringt, ist nirgendwo resident und damit auch nicht den örtlichen Steuerpflichten (speziell der Einkommen- oder Vermögensteuer) unterworfen. Doch dies ist für viele PT von sekundärem Interesse …
Denn neben den genannten wirtschaftlichen Gründen gibt es auch PTs aus lebensphilosophischen oder existenzialistischen Gründen, die sich nicht auf ein festzementiertes Leben einlassen wollen. Praktische Grundlage des PT-Lebensstils ist die Flaggentheorie.
Beispiele aus der PT-Praxis
Wer glaubt, es handele sich beim Lebens- und Arbeitsstil des Perpetual Travellers um eine urbane Legende, der kann durch die Wirklichkeit eines Besseren belehrt werden.
Der als Käufer der insolventen Warenhauskette Karstadt im Juni 2010 bekannt gewordene deutsch-amerikanische Finanzinvestor Nicolas Berggruen gehört zu den bekannteren Exemplaren der Spezies Perpetual Traveller. Der Legende nach verlor er bereits im Jahr 2000 sein Interesse am Erwerb privater Güter, nachdem er ein Vermögen verdient hatte (das im März 2013 vom Forbes Magazine auf zwei Milliarden US-Dollar geschätzt wurde). Damals, Anfang des Jahrtausends, verkaufte er alle privaten Häuser und Wohnungen, ein Appartement am New Yorker Central Park und ein Anwesen auf einer Privatinsel vor Florida. Seitdem lebt er ausschließlich in den Hotels dieser Welt und hat keinen festen Wohnsitz. »In den USA, wo er noch die meiste Zeit verbringt, wird er seit Jahren als Obdachloser geführt«, schreibt das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL. Und weiter: »Die ordnende Hand eines Einwohnermeldeamts greift bei ihm ins Leere«. Da er von seinem materiellen Besitz angeblich nur seinen Privatjet vom Typ Gulfstream IV behielt, ist es für ihn ein Leichtes, dauerhaft so zu reisen, dass er nicht der Willkür eines einzigen Staates ausgeliefert ist.
Worin allerdings die genauen Kunstkniffe in der praktischen Verwirklichung einer erfolgreichen PT-Strategie bestehen, das verdeutlicht sehr anschaulich eine, die involvierten Redakteure offensichtlich überfordernde Episode am Rande der Offshore-Leaks-Affäre. Denn erstaunt stellten sie unter einer sachlich falschen Überschrift fest: »Ölbaron spart sämtliche Steuern durch ständiges Reisen«. In der Geschichte, die zuerst in der Schweizerischen »SonntagsZeitung« aus Zürich, und anschließend in der »Süddeutschen Zeitung« (SZ) erschien, wurde der PT-Lebensstil des 1942 geborenen Multimillionärs James Ross Mellon II geschildert. Mellon entstammt einer der reichsten Familiendynastien der USA, deren Vermögen laut Forbes 2017 rund 11,5 Milliarden US-Dollar umfasste. Sein Groß-Groß-Großvater Thomas Mellon gründete 1869 mit seinen Söhnen Andrew W. Mellon und Richard B. Mellon die »T. Mellon & Sons‘ Bank«. Im Jahr 1902 wurde das Institut in »Mellon National Bank« umbenannt und beschäftigt heute als »BNY Mellon Bank« weltweit 48.700 Mitarbeiter. Des Weiteren zählte James Mellons Großvater William Larimer Mellon, Sr. zu den Gründern der heute Chevron-Texaco gehörenden Gulf Oil Company, wovon der Wohlstand des Enkels im Wesentlichen herrührt.
Seinen ersten Steuer-Kunstgriff wandte Mellon bereits 1977 an. Schockiert vom weltweiten aggressiven Zugriff der langen Finger der amerikanischen Steuerbehörde IRS gab er seine US-Staatsbürgerschaft auf und erwarb den Pass der Britischen Jungferninseln. »Seither bin ich ausschließlich britischer Staatsbürger und habe keine Beziehung mehr zu den USA«, sagte er. Damit war er vielleicht einer der ersten, aber sicherlich nicht der letzte. Denn die Zahl der US-Bürger, die sich dem weltweiten Verfolgungsdruck durch den IRS entziehen wollen, nimmt – zwar auf niedrigem Niveau, aber dennoch steil zu. Dass dieser – durchaus schwerwiegende – Schritt dennoch nur die halbe Miete ist, das wurde Mellon rasch bewusst. Denn nun war er zwar offiziell Ausländer, aber aufgrund seines Wohnsitzes in den USA immer noch dem IRS tributpflichtig.
Konsequent verlagerte er seinen Hauptwohnsitz auf die British Virgin Islands. Das war Kunstgriff Nummer zwei. Gleichzeitig gründete er – völlig legal – zahlreiche Unternehmen, um sein Vermögen abzuschirmen und zu schützen. Doch nachdem aufgrund massiven politischen Drucks durch die USA, die OECD usw. ein Steuerparadies nach dem anderen fiel, und sich auch an seinem karibischen Wohnsitz das Steuerklima zu seiner Unzufriedenheit entwickelte, gab Mellon das »stationäre Leben« ganz auf. Er wurde Weltbürger. Mit Kunstgriff Nummer vier entschied er sich für ein Leben ohne dauerhaften Wohnsitz. »Er meldete sich in der Karibik ab und wohnt heute offiziell an keinem Ort der Welt«, berichtet die SZ.
Obwohl er in Italien, auf den Jungferninseln und in der Schweiz Immobilien besitzt, zahlt er dort keine Steuern. Denn die wichtigste Regel Nummer fünf lautet, nie lange genug an einem Ort zu bleiben, um dort einkommensteuerpflichtig zu werden. So dürfen Ausländer wie Mellon in der Schweiz bis zu drei Monate im Jahr wohnen, ohne Einkommensteuern zahlen zu müssen. Dies gelingt allerdings nur, wenn man einem strikten Aufenthalts- und Reisereglement folgt. Mellon: »Ich reise viel und befolge jeweils genau die Regeln jedes Landes«. Denn: »Jedes Land hat andere Regeln«. Die US-Behörden beispielsweise bestimmten anhand einer langen Merkmalsliste, ob jemand Staatsbürger sei oder nicht. Hierzu zählen etwa Vereinsmitgliedschaften oder Registrierungen für irgendwelche Wahlen. Sein Aufenthaltsstatus sei von der US-Steuerbehörde noch nie angezweifelt worden, beteuert Mellon selbstsicher.
Was Millionären und Milliardären – ganz legal – gelingt, das funktioniert auch in einem bescheideneren Rahmen. Dazu bedarf es weder eines millionenschweren Kontos noch eines eigenen Business-Jets. Dieser vereinfacht zwar das permanente Reisen, das ja so häufig auch gar nicht nötig ist. Ein oder zwei oder drei Ortswechsel im Jahr genügen oft schon, wie James Ross Mellon II aus langjähriger erfolgreicher Praxis weiß.
Die Website Staatenlos informiert über den internationalen Lifestyle des Perpetual Travellers und bietet Dienstleistungen für Unternehmer sowie zu den Bereichen Wohnsitzverlagerung, Steueroptimierung, globale Diversifikation usw. an.