Die sogenannte Flaggentheorie ist die Grundlage der Lebenspraxis des Perpetual Travellers (PT); auch bekannt als Drei-, Fünf- oder Sechsflaggentheorie. Dieses persönliche Sezessions- und Diversifikationskonzept wurde erstmals in den 1960er beschrieben: 1964 veröffentlichte der US-amerikanische Finanzberater Harry D. Schultz ein Buch mit dem Titel »How to Keep Your Money and Your Freedom«. Darin vertrat er seine neuartige »Dreiflaggen-Theorie«. Ursprünglich als ein Konzept zur Steuervermeidung erdacht, ging er davon aus, dass diese zumindest eine zweite Staatsbürgerschaft (erste Flagge), einen sicheren Ort zum Vermögensschutz außerhalb des eigenen Heimatlandes (zweite Flagge) sowie eine Wohnanschrift in einem Steuerparadies (dritte Flagge) notwendigerweise voraussetzt. Der Autor Dr. W. G. Hill nahm sich später dieser Strategie an, differenzierte sie aus und fasste seine Ideen im Buch »PT: The Perpetual Traveller« prägnant zusammen. Im Laufe der Zeit wurde das Prinzip auf fünf bzw. sechs Flaggen erweitert.
Grundprinzip
Flagge 1: Besitz einer Staatsbürgerschaft, aufgrund der man nicht für Auslandseinkommen (im Inland) besteuert wird
Flagge 2: Verlagerung der Erwerbs- bzw. Geschäftsaktivitäten (oder des Vermögens) in Länder oder zumindest in ein Land mit niedriger oder keiner Besteuerung; im Fall eines Onlinegeschäfts Auslagerung und Hosting der Website oder des Onlineshops auf einem Server in einem Land mit geringer Regelungsdichte außerhalb der EU und außerhalb der USA (sowie grundsätzlich nicht in Rechenzentren, die US-amerikanischen Unternehmen gehören)
Flagge 3: In möglichst freiheitlichen Ländern leben, in denen man als Tourist geschätzt wird, und nicht als vogelfrei gilt. Mit dem bundesdeutschen Reisepass kann man visumfrei in 177 Länder für einen begrenzten Zeitraum mit maximalen Aufenthalten zwischen 15 und 360 Tagen am Stück reisen, z.B. 120 Tage in Fidschi, Tunesien, Vanuatu; 180 Tage in Armenien, Antigua & Barbuda, Costa Rica, Dominica, El Salvador, Mexiko, UK sowie 360 Tage in Georgien; 21 Länder sind nicht visafrei (Stand 2024).
Aus den folgenden Bausteinen setzt sich das Gebäude der erweiterten »Flaggentheorie« zusammen:
1. Flagge 1 – Staatsbürgerschaft bzw. Pass
2. Flagge 2 – Hauptwohnsitz/Domizil (Zuflucht 1)
3. Flagge 3 – »Spielwiese« (Zuflucht 2)
4. Flagge 4 – Unternehmenssitz
5. Flagge 5 – Vermögensanlage (und/oder Bankkonto)
6. Flagge 6 – Virtuelle Existenz im Cyberspace (bzw. Internet).
Die »Sechs-Flaggen-Strategie«
Sie wird neuerdings anhand der folgenden Kriterien definiert:
Flagge 1 – Staatsbürgerschaft bzw. Reisepass: Zusätzlich zum Reisepass des Heimatlandes, den man ohnehin besitzt, sofern einem nicht die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt wurden, sollte man sich die Staatsbürgerschaft (und den Reisepass) eines weiteren Staates besorgen, die jeweils das weltweite Einkommen Nichtansässiger steuerfrei lässt. Aber noch ist der deutsche Reisepass ein sehr gutes Reisedokument, mit dem man ohne Visum in sehr viele Länder einreisen kann (siehe oben). Vergleichbar sind auch die Pässe anderer europäischer oder EU-Staaten. Sollte Deutschland allerdings irgendwann dem Beispiel der USA folgen und versuchen, Deutsche im Ausland wegen ihrer Staatsangehörigkeit zu besteuern, dann ist die Zeit gekommen, über einen neuen Pass nachzudenken (dies sollte freilich rechtzeitig geschehen, bevor alle Türen verschlossen sind).
Flagge 2 – Domizil (Zuflucht 1): Das ist der offizielle Wohnsitz. Man sollte sich mit förmlicher Anmeldung in einem Staat niederlassen, der ausländische Bürger als redlich und vertrauenswürdig wahrnimmt, auch wenn man nicht viel (oder überhaupt keine) Zeit innerhalb seiner Grenzen verbringst. Das ideale Land für einen neuen (offiziellen) Hauptwohnsitz muss nicht unbedingt ein Steuerparadies sein. Es ist sogar taktisch klüger, wenn es nicht als Steueroase gilt. Allerdings sollte das Land die folgenden Voraussetzungen erfüllen: a.) Die bürokratischen Hürden einer Einbürgerung bzw. der offiziellen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, müssen so niedrig als möglich sein; b.) das Land darf die weltweit erzielten Einkommen/Einkünfte seiner ausländischen Bürger nicht besteuern – oder nur die im Inland, nicht jedoch im Ausland erzielten; c.) es sollten keine Vorschriften hinsichtlich der jährlichen Aufenthaltsdauer bestehen, um bei längerer Abwesenheit nicht das Aufenthaltsrecht zu verlieren. Im Rahmen der PT-Strategie sollte man dort weder ein Geschäft/Unternehmen betreiben noch sein Vermögen anlegen – wobei es selbstverständlich nicht als Arbeit zählt, wenn man zuhause seine Website pflegt, Beiträge verfasst oder das Layout neugestaltet. Als Kandidaten kommen relativ »günstige« Länder in Frage (weshalb die langjährigen Favoriten wie Bermuda, Liechtenstein, die Schweiz oder Monaco aufgrund unerschwinglicher Kosten ausscheiden). Allerdings erfüllen nach wie vor viele asiatische, lateinamerikanische oder karibische Staaten die Anforderung der oben erwähnten Nichtbesteuerung. Etliche dieser Staaten kennen keine Einkommensteuer. Richtig organisiert, wobei stets die Mindest- und Höchstaufenthaltsdauern zu beachten sind, werden »Touristen«, die auf der »Durchreise« sind, in keinem Land besteuert.
Flagge 3 – »Spielwiese« (»Zuflucht« 2): Dies sollte ein Ort bzw. ein Zielgebiet sein, an dem man die meiste Zeit (physisch) verbringt. Denkbar ist auch eine Kombination unterschiedlicher Destinationen (am besten zwischen zwei und vier), in denen man sich abwechselnd aufhält. An diesen Orten bleibt man jeweils nur so lange, wie es visumfrei möglich ist – mit dem deutschen Reisepass in der Regel 90 Tage – damit man weder zwangsweise ausgewiesen noch automatisch Einwohner und damit einkommensteuerpflichtig wird. Welche Ziele man wählt, hängt natürlich vom persönlichen Geschmack, den individuellen Präferenzen und den finanziellen Ressourcen ab. Mit den richtigen Beziehungen oder einem klugen Arrangement der nötigen Formalien (was einen guten Anwalt voraussetzt), dürfte es auch möglich sein, sich einen Daueraufenthalt zu »erschleichen«. Je nach persönlicher Motivationslage weisen beliebte Urlaubsziele und angesagte Fremdenverkehrsgebiete alle Bedingungen, Vorzüge und Annehmlichkeiten einer »PT-Spielwiese« auf. In solchen Regionen verschwindet man mit Low-Profile unbehelligt in der Anonymität der Urlaubermassen. Prinzipiell kommen alle Landstriche mit Sonne, Strand und Meer in Frage. Aber auch touristisch nachgefragte Großstädte als beliebte Ziele von Städtereisen eignen sich hervorragend zum sowohl anonymen als auch geschäftigen Aufenthalt.
Flagge 4 – Unternehmenssitz: An diesem (physischen) Ort verdient man (falls gewünscht oder nötig) – zumindest offiziell – sein Geld. Sinnvollerweise gründet man sein Unternehmen in einem Staat, der die außerhalb der heimatlichen Jurisdiktion erzielten Erträge nicht besteuert. Die meisten traditionellen Offshore-Gebiete (»Steuerparadiese«) sind dazu geeignet. Falls man als Inhaber, Gesellschafter und/oder Geschäftsführer einen bereits gut eingeführten Betrieb leitet, der aus vielerlei Gründen nicht verlagert werden kann, hat man scheinbar zunächst keine große Wahl. Man muss in den sauren Apfel beißen und vor Ort zuhause seine üblichen Steuern bezahlen. Dennoch ist man nicht völlig hilflos. Es bleibt unbenommen, Offshore eine juristische Person (d.h. eine haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaft wie eine Ltd., LLC, Inc. usw.) zu gründen oder gründen zu lassen, Unternehmensfunktionen zu outsourcen oder Produkte bzw. Leistungen zu exportieren. Fast alle Unternehmensbereiche könnten so schrittweise verlegt werden. Außerdem ist es immer noch legal, seine Geschäftsanteile an jedermann zu verkaufen, der ein gutes Angebot unterbreitet, gleichgültig vom Herkunftsstandort des Käufers. Und falls die vom eigenen Unternehmen erstellten Leistungen weitgehend virtuell oder »virtualisierbar« sind, kann man – mithilfe eines versierten Steuerberaters – seinen bisherigen Betrieb auch schließen und im Cyberspace neu eröffnen. »Virtualisierbar« ist prinzipiell alles, was sich mit Kommunikation, Kreativität, Beratung, Handel u.Ä. beschäftigt. Ein Internet-basiertes Unternehmen kann man theoretisch an jedem beliebigen Ort gründen. Außerdem gibt es Staaten, die auf jeweils unterschiedliche Wirtschaftsbereiche oder Industrien spezialisiert sind. So, wie sich etwa Panama oder Liberia auf die Registrierung von Frachtschiffen ausgerichtet haben, werden die Kaimaninseln zur Ausflaggung von Geschäftsreiseflugzeugen genutzt. Zudem gelten in vielen Sonderwirtschafts- oder Freihandelszonen weltweit Vorzugskonditionen für Investitionen und Unternehmensgründungen.
Flagge 5 – Vermögensanlage (Bankkonto): Es ist taktisch unumgänglich sein Vermögen (sofern man über eines verfügt) in einem »Steuerparadies« anzulegen, das rechtlich von den Orten getrennt ist, an denen man sein Geld verdient oder ausgibt (also Flaggen 3 und 4). Es sollten Gebiete sein, die ein strenges Bankgeheimnis wahren (das bestenfalls im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen aufgehoben werden kann) und die ansonsten keine Daten mit ausländischen Finanzbehörden austauschen. Weitere Voraussetzungen sind eine zuverlässige Kommunikationsinfrastruktur sowie stabile politische Verhältnisse mit einem großen Respekt gegenüber der individuellen Privatsphäre. In solchen Staaten sind Banken tätig, in denen man ein Hacker-sicheres Nummernkonto eröffnen kann. Es ist selbstverständlich, dass man dort, wo man sein Vermögen diskret versteckt, weder lebt noch ein Unternehmen betreibt. Darüber hinaus wäre es unklug, sein Vermögen und/oder seine Ersparnisse am Wohn- oder Firmensitz aufzubewahren. Und dies aus verständlichem Grund: Sollte das eigene Unternehmen in Schieflage geraten, kann man nur am Unternehmenssitz (bzw. am zuständigen Gerichtsstand) verklagt werden. Der liegt aber wiederum niemals dort, wo man seine Geschäfte tätigt. Somit sind rechtliche Schritte gegen das eigene Unternehmen umständlich und vor allem teuer. Und der fremde Griff auf das eigene Vermögenskonto ausgeschlossen. Damit wird auch Abmahnanwälten das Leben erschwert. Das heißt: Weder vom eigenen Wohn- noch vom Unternehmenssitz sollten Spuren zu den eigenen Ersparnissen und Vermögenswerten führen. Zusätzliche Sicherheit verleiht eine Vermögensdiversifikation auf mehrere, voneinander unabhängige »Steuerparadiese«. Nachdem die bislang bevorzugten Favoriten Schweiz, Liechtenstein oder Luxemburg vor dem Finanztotalitarismus der USA oder der EU kapitulierten, muss der Blick jenen Alternativen zugewandt werden, die möglicherweise zwar noch nicht deren ehemaligen Standards erreicht haben, aber dafür bislang unterm Radar liegen. Das erfordert ein andauerndes sich informieren – sowie versierte Steuerberater und Anwälte.
Flagge 6 – Virtuelles Internetbusiness: Sofern man kein reicher Privatier oder Rentner/Pensionär oder von Beruf Sohn ist, bleibt man von einer sicheren und aktiven, aber standortunabhängigen Einkommensquelle anhängig. Eine virtuelle Entität (z.B. Website) sollte der weltweit aktive Knotenpunkt der eigenen Unternehmenstätigkeit, der Kommunikation und des Zahlungsverkehrs sein. Aus diesem Grund entwickelte sich im Laufe der vergangenen Jahre das Internet zur sechsten Flagge des »PT-Gebäudes«, wobei mit den mannigfaltigsten »mobilen Geschäftsmodellen« ein unsichtbares Einkommen als Vermittler, Berater oder (Content-) Inhalte-Anbieter von wenig bekannten oder exklusiven Informationen und Dienstleistungen verdient werden kann. Am besten geeignet sind sogenannte virtuelle oder Online-Unternehmen in Kombination mit rechtssicheren Offshore-Konstruktionen, bekannt auch als »PT-Business«, mit denen man jederzeit und überall arbeiten kann. Das Internet ermöglicht immer mehr solch innovativer Geschäftsideen. Wenn man ein entsprechendes, ortsunabhängiges Unternehmen betreibt, kann man von praktisch jedem Punkt der Erde arbeiten (und Geld verdienen), was natürlich den eigenen Handlungsspielraum und damit die persönliche Freiheit erweitert. Als Virtupreneur kann man sich physisch an jedem beliebigen Ort aufhalten (und dort arbeiten), und ist dennoch für jedermann unsichtbar (falls gewünscht). Mit einer sechsten Flagge im Internet kann man die bereits bestehenden und sich künftig stets neu bietenden Chancen des Informationszeitalters zu seinem Vorteil nutzen. Die aktuellen technischen, rechtlichen und politischen Entwicklungen sollten deshalb aufmerksam verfolgt werden.
Fazit
Im Rahmen der »Ausflaggung« einer natürlichen Person ist darauf zu achten, dass man (zumindest nach außen hin bzw. dem Schein nach) seine »Zelte in Deutschland« abbricht, d.h. den Hauptwohnsitz aufgibt. Entscheidend sind grundsätzlich folgende Faktoren:
Man verbringt mindestens 51 Prozent des Jahres im Ausland (bzw. in seinem Zufluchtsland oder seinen Zufluchtsländern), das heißt konkret: ½ Jahr + 1 Tag = 183 Tage im Jahr
Man verlagert nachweislich seine »persönlichen Interessensschwerpunkte« bzw. den Mittelpunkt der Lebensinteressen, das heißt seine private Lebensführung (was z.B. auch die familiären Bindungen sowie das gesellschaftliche, politische oder kulturelle Umfeld einschließt) ins Ausland. Das heißt mithin, dass auch der Ehe- oder Lebenspartner und etwaige Kinder mit ausflaggen müssen. Alleinstehende können diesen Aspekt erheblich entspannter gestalten … Der offizielle Wohnsitz der Familie ist somit von entscheidender Bedeutung.
Man hat – offiziell – keine Wohnung mehr in Deutschland. Das Wohnen in einem Hotelzimmer, auch bei längerer Nutzung (z.B. bis zu 182 Tage im Jahr), oder ein Zimmer/eine Einliegerwohnung o.Ä. bei Eltern, Geschwistern, Verwandten, Freunden oder Strohleuten begründet keinen Wohnsitz, sofern man über das Zimmer oder die Wohnung zumindest pro forma keine Verfügungsmacht besitzt. Der Wohnsitzbegriff im deutschen Steuerrecht wird durch § 8 AO definiert: »Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird«.
Man geht seiner Erwerbtätigkeit im Ausland nach und/oder verwaltet seine Einkünfte/sein Vermögen im Ausland.
Wie so häufig kommt es auch bei der Gestaltung eines rechtssicheren PT-Lebensstils darauf an, dass die Fallen des (deutschen) Steuerrechts »umschifft« und seine Lücken kreativ genutzt werden. Die meisten Menschen können und wollen Ihre Zelte nicht zu einhundert Prozent abbrechen, wenn sie es nicht unbedingt (etwa aufgrund politischer Verfolgung) müssen. Somit besteht die individuelle Aufgabe darin, eine Gestaltung zu finden, die einen in die Lage versetzt, die alleinige oder überwiegende Besteuerung ins Ausland zu verlagern. Naturgemäß ist die Verlagerung der natürlichen Person steuerrechtlich anspruchsvoller als die Verlagerung einer Betriebsstätte ins Ausland.